Reduzierte Windkraft-Ausbaupläne werden die europäischen Hersteller für Offshore-Windräder zu Konsolidierungsmaßnahmen zwingen. Gleichzeitig sorgen robustere Prozesse und technologischer Fortschritt für verringerte Errichtungsrisiken und sinkende Stromerzeugungskosten. Das Niedrigzins-Umfeld bietet ein ideales Finanzierungs-Umfeld für den Ausbau der Offshore-Windkraft, die zu einem unverzichtbaren Baustein der regenerativen Stromerzeugung wird. Auch der Staat hat insbesondere durch eine Evolution der regulatorischen Rahmenbedingungen für den Bau von Offshore-Windparks und der notwendigen Stromtrassen an Land einen wesentlichen Einfluss auf den weiteren Erfolg der Offshore-Windkraft.

München, 14. Juni 2016 – Für die Offshore-Windbranche in Europa sind die Zeiten ungebremsten Wachstums vorbei. Dänemark hat seine Ausbauziele erreicht, Großbritannien und Deutschland ihr Ausbautempo reduziert. Frankreich will seinen Offshore-Windkraft-Ausbau mit Windrädern aus heimischer Produktion stemmen, die Hersteller für die ersten beiden Vergaberunden stehen bereits fest. Die restlichen europäischen Länder bauen derzeit nur geringe Offshore-Kapazitäten auf, so dass hier kaum nennenswerte Geschäftsmöglichkeiten entstehen. Auch Exporte in andere Kontinente wird es in absehbarer Zeit wohl nicht geben, vor allem aufgrund der Transportkosten für Maschinenhäuser und Rotoren.

In den vergangenen Jahren war Deutschland der wichtigste Markt für die Offshore-Windkraft – über die letzten drei Jahre wurden im Durchschnitt mehr als 1000 MW pro Jahr installiert. Künftig wird der Zubau auf rund 730 MW jährlich beschränkt werden – damit reduziert sich die Inlandsnachfrage um rund ein Viertel. Zudem wird Deutschland ab 2017 schrittweise ein neues Ausschreibungsverfahren für große regenerative Energieprojekte wie Offshore-Windparks einführen. Dabei erhält derjenige Bieter den Zuschlag, der die geringste Förderung verlangt – bis die Zielkapazität erreicht ist. So sollen einerseits die Wirtschaftlichkeit gefördert und andererseits die Neubaukapazität im geplanten Ausbaukorridor gehalten werden.

These 1: Eine Hersteller-Konsolidierung ist sinnvoll und notwendig

Für die europäischen Hersteller von Offshore-Windkraftanlagen bedeutet diese Situation, dass sie ihre Fertigungskapazitäten anpassen müssen. Drei davon – Senvion, Adwen und Siemens (ab 2017) – betreiben auch Produktionsstätten in Deutschland. Mit dem Neubau einer Fabrik von Siemens in Cuxhaven sowie dem Produktionsanlauf von Alstom/GE in St. Nazaire (Frankreich) werden sich die Überkapazitäten nochmals erhöhen. Wahrscheinlich ist auch eine Konsolidierung der europäischen Anbieterlandschaft bei Offshore-Windkraftanlagen. In Teilen hat sie bereits begonnen: Der Hamburger Turbinenhersteller Nordex stieg bereits vor einigen Jahren aus dem Offshore-Geschäft aus, um sich auf Anlagen an Land zu konzentrieren, und übernahm 2015 die spanische Acconia. Die in Dänemark heimische Siemens Wind Power, der Weltmarktführer im Offshore-Geschäft, strebt zur Stärkung seiner Onshore-Aktivitäten eine Fusion mit der ebenfalls in Spanien heimischen Gamesa an. Und General Electric hat jüngst signalisiert, sich eine Übernahme des spanisch-französischen Offshore-Windturbinenherstellers Adwen vorstellen zu können, um sein Offshore-Geschäft auf eine kritische Größe zu bringen.

These 2: Die Offshore-Branche braucht stabile Bilanzen

Die Hersteller von Offshore-Windanlagen müssen mit hohen Entwicklungskosten in Vorleistung gehen. Das liegt vor allem an der steigenden Anlagengröße: Die derzeit errichteten Offshore-Windparks nutzen meist Turbinen mit Leistungen zwischen 3 und 6 MW. Kommende Parks werden überwiegend 6 bis 7 MW-Turbinen einsetzen, und 8 MW-Turbinen befinden sich in der Erprobung. Die Turbinenhersteller stehen untereinander in einem harten Entwicklungswettbewerb um die größte machbare Windkraftanlage. Dies verschlingt einerseits viel Geld und begrenzt andererseits die Vermarktungsmöglichkeiten der bereits entwickelten Turbinengenerationen.

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Auch auf die Betreiber kommen mit dem neuen “zentralen Ausschreibungsmodell” für deutsche Windparks höhere Risiken zu. Insbesondere müssen die Bieter auf ausgeschriebene Projekte hohe Sicherheiten stellen, die bei Nicht-Realisierung des Projekts verfallen. Für einen Windpark von 400 MW sind das in einer Übergangsphase 60 Mio. EUR, später 120 Mio. EUR. Früher konnten erbrachte Planungsleistungen mitsamt den Projektrechten weiterverkauft werden, wodurch die Projektrisiken faktisch verringert wurden. Dies ist im künftigen Modell kaum mehr möglich. Zudem droht bei Projektverzögerung oder Nichtrealisierung eine Inanspruchnahme der gestellten Sicherheiten, bevor das Projektrecht schließlich erlischt.

Die Bieter müssen also neben der Unsicherheit über den Zuschlag beim Bieterverfahren im schlimmsten Fall ein Totalverlust-Risiko ihrer Vorleistungen für die Projektentwicklung und ihrer gestellten finanziellen Sicherheiten in Kauf nehmen. Dies lässt erwarten, dass die finanzstarken, schon heute oft dominanten Unternehmen ihre Marktstellung künftig weiter festigen können. Denn nur sie wären in der Lage, etwaige Verluste auf andere Projekte umzulegen. Weniger finanzstarke Player werden vor große finanzielle Herausforderungen gestellt und könnten sich daher möglicherweise vom deutschen Offshore-Markt zurückziehen.

These 3: Offshore kann Wettbewerbsfähigkeit im regenerativen Energiemix steigern

In der Anfangsphase wurde der notwendige Aufwand für Errichtung und Inbetriebnahme von Offshore-Windparks teilweise erheblich unterschätzt. Es kam zu Verzögerungen und Fehlbauten sowie zu oft erheblichen Kostenüberschreitungen. Diese Kinderkrankheiten sind inzwischen kuriert. Das Projektmanagement, ein Schlüsselfaktor bei der Realisierung von Offshore-Bauvorhaben, hat sich professionalisiert und profitiert stark von der in den letzten Jahren gesammelten Erfahrung. Projektplanung und -steuerung setzen zunehmend hochentwickelte quantitative Modelle ein. Spezialisierte Dienstleister mit qualifizierten Mitarbeitern konnten sich etablieren. Auch die Technik hat sich weiterentwickelt, so verkürzen zum Beispiel immer größere Errichterschiffe die Bauzeit. So können Parks immer reibungsloser und schneller errichtet und in Betrieb genommen werden. Inzwischen reicht manchmal bereits eine einzige Sommersaison aus. Die derzeitige Krise der Öl- und Gasindustrie sorgt zudem für verringerte Charterraten bei Versorgungsschiffen.

Gegenüber den anderen regenerativen Energien wird die Offshore-Windkraft ihre Rentabilität künftig deutlich steigern können. Derzeit liegt Offshore bei 12 bis 14 Cent pro kWh, während Onshore mit 5 bis 9 Cent pro kWh deutlich günstiger ist. Dies gleichen Offshore-Windräder dank des stetiger wehenden Seewinds mit einer gleichmäßigeren Leistung aus – sie erfüllen damit wichtige Grundlastfunktionen in der regenerativen Energiewirtschaft. Zudem stößt der Ausbau an Land zunehmend auf Akzeptanzgrenzen, insbesondere bei großen Anlagen.

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Bei der Herstellung der Turbinen und Anlagen entstehen mit zunehmender Produktionsmenge kostensenkende Skaleneffekte. Sie werden durch die europaweite Reduzierung der Offshore-Ausbaugeschwindigkeit geringer ausfallen als bisher erwartet. Allerdings erweist sich die Leistungssteigerung der Turbinen als sehr wirksamer Hebel zur Kostendegression: Je größer die Anlage, desto höher ihre Kosteneffizienz. Denn bei einer hypothetisch verdoppelten Anlagenleistung würden die Kosten für Gründung, Turbine, Installation, Stromübertragung und Wartung nur unwesentlich steigen.

Erhebliche Kostensenkungspotenziale gibt es auch in der Betriebsphase der Offshore-Windparks. Hier wird es in den nächsten Jahren voraussichtlich zu einer Optimierung von Wartung und Logistik sowie Personaleinsatz und Prozessen kommen. Die Weiterentwicklung der Übertragungs-Technologien lässt zudem auf signifikante Einsparungen für die Stromübertragung an Land hoffen. Bereits mittelfristig sind daher Erzeugungskosten von 8 bis 10 Cent pro kWh für Offshore-Windkraft eine realistische Zielgröße.

These 4: Regulatorisches Mitdenken unterstützt Wirtschaftlichkeit und Fortschritt

Der Preis der Offshore-Windenergie wird nicht zuletzt auch durch Politik, Verwaltung und Zertifizierer bestimmt. Sie regeln die Geschwindigkeit des Offshore-Ausbaus und begrenzen damit die erreichbaren Skaleneffekte in der Anlagenherstellung. Sie erteilen zeitlich begrenzte Zulassungen und limitieren so die Laufzeiten. Sie legen die Bau- und Wartungsstandards fest und haben dadurch Einfluss auf die Errichtungs- und Betriebskosten. Zudem kontrollieren sie die Technologieförderung. Hier gibt es, aufgezeigt am Beispiel Deutschland, eine Reihe aktueller Optimierungspotenziale:

– Heutige Offshore-Windparks sind für Laufzeiten von 25 bis 30 Jahren ausgelegt und zertifiziert. Sinnvoll wäre es, die derzeit im EEG 2016 vorgesehene Betriebszulassung von 20 Jahren entsprechend zu verlängern. Denn mit längerer Betriebszeit steigt tendenziell die Wirtschaftlichkeit, was zu einer niedrigeren EEG-Umlage beitragen kann.
– Auch eine Vereinfachung der Bau- und Wartungsstandards von Offshore-Windparks könnte die Energiekosten senken. Deutschland geht hier andere Wege als andere europäische Länder, was letztlich den Strompreis erhöht. Europaweite Standards und eine stärker wirtschaftliche Ausrichtung der Behörden und Zertifizierer können hier Abhilfe schaffen.
– Die bestehende Infrastruktur, wie zum Beispiel im Jade-Weser-Port in Wilhelmshafen, ist bereits heute ungenügend ausgelastet. Angesichts der Reduzierung des ursprünglichen Ausbauziels der Offshore-Windkraft von 25 GW auf 15 GW im Jahr 2030 sollten geplante Infrastruktur-Investitionen wie das Offshore Terminal in Bremerhaven auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden.
– Nach acht bis zwölf Jahren Betrieb sinkt die Einspeisevergütung auf 3,5 bis 3,9 Cent pro kWh. Dies reicht nach derzeitigen Erfahrungen gerade noch, um den Betrieb eines Offshore-Windparks aufrechtzuerhalten. Es muss daher entweder gelingen, die Betriebskosten deutlich zu senken oder es müssen neue Incentives für den Weiterbetrieb gefunden werden, um Investitionsruinen auf See zu verhindern. Im Zweifel kann die Sicherung eines wirtschaftlichen Betriebs der bestehenden Anlagen volkswirtschaftlich günstiger sein als die Förderung neuer Anlagen.
– Durch die Ausweisung geeigneter Prototypenstandorte könnte staatlicherseits die für niedrigere Energiekosten notwendige Technologieentwicklung erleichtert und die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts erhöht werden.

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These 5: Offshore-Windkraft muss das Niedrigzins-Umfeld nutzen

Trotz der Anlaufprobleme der ersten Offshore-Windparks gibt es nach wie vor interessierte Fremdkapitalgeber und Investoren. Dies sind zunehmend Institutionen mit niedrigen Renditeerwartungen wie öffentlich-rechtliche Kreditinstitute und Förderbanken sowie Versicherer und Pensionsfonds. Die dem Offshore-Wind-Projektgeschäft innewohnenden Risiken werden aus Marktsicht zunehmend finanzierbarer beurteilt.

Die hohe Liquidität im Markt und die große Zahl interessierter Fremdkapitalgeber und Investoren dürften dazu beitragen, dass die Finanzierungsseite auch weiterhin keinen Engpass beim Ausbau der Offshore-Windenergie darstellt. Die Niedrigzinsphase ist ein Glücksfall für Infrastruktur-Großinvestitionen wie Offshore-Windparks. Die nächsten Jahre sollten entsprechend intensiv zum weiteren Ausbau genutzt werden.

These 6: Der Stromnetzausbau bestimmt den volkswirtschaftlichen Erfolg von Offshore

Das neue EEG und WindSeeGesetz begrenzen die Offshore-Windkraft-Kapazität auf 10,5 GW bis zum Jahr 2025. Das macht den erforderlichen Ausbau des Stromnetzes planbar. Wenn die an der Küste erzeugte Energie jedoch nicht zu den Verbrauchern im Süden und Südwesten gelangt, wird die Energiewende effektiv ausgebremst und es kommt zu volkswirtschaftlichen Fehlallokationen. Die Erzeugung müsste heruntergeregelt werden und die mit erheblichen Mitteln geförderten und gebauten Windparks würden unterhalb ihrer möglichen Kapazität arbeiten.

Auch die Bundesnetzagentur rechnet inzwischen mit Verzögerungen des Netzausbaus. Komplexe Genehmigungsverfahren und die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden werden die Ausbaugeschwindigkeit in Grenzen halten. Um Bürgerproteste gegen neue Trassen zu minimieren, wird vielerorts auf die Nutzung von Erdkabeln an Stelle von Überlandleitungen gesetzt. Diese Erdverkabelung in Gleichstromtechnologie bringt zwar erhebliche Vorteile bei den Übertragungsverlusten, ist jedoch in diesem Maße bislang nicht erprobt und birgt entsprechende Technologierisiken. Die Entwicklung eines Notfallplans durch die Bundesregierung zur Sicherstellung des Netzausbaus erscheint geboten.

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