Anspruch auf tarifliche Feiertagszuschläge bei Schulungen und Dienstreisen in einem anderen Bundesland

Nico Bischoff, Rechtsanwalt

Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Feiertagszuschläge nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes der Länder, wenn an ihrem regelmäßigen Beschäftigungsort ein gesetzlicher Feiertag ist.

(Bundesarbeitsgericht, BAG, Urteil vom 01. August 2024 – 6 AZR 38/24; Leitsatz)

Der Kläger ist als technische Fachkraft bei der Beklagten – einem in Nordrhein-Westfalen ansässigen Universitätsklinikum – beschäftigt und im Wege der Personalgestellung bei einer ebenfalls in Nordrhein-Westfalen ansässigen GmbH eingesetzt. Dort befindet sich auch sein regelmäßiger Beschäftigungsort.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung. Dessen § 43 Nr. 5 zu § 8 lautet auszugsweise:
“[…] Beschäftigte erhalten neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge. Die Zeitzuschläge betragen – auch bei Teilzeitbeschäftigten – je Stunde […] d) bei Feiertagsarbeit ohne Freizeitausgleich 135 v.H., – mit Freizeit-ausglich 35 v.H., e) für Arbeit am 24. Dezember und am 31. Dezember jeweils ab 6 Uhr 35 v.H.”
Der Kläger nahm auf Anordnung seines Vorgesetzten ab dem 1. November 2021, einem Montag, an einem fünftägigen Gerätelehrgang in Hessen teil. Nach den jeweiligen landesrechtlichen Feiertagsbestimmungen ist das auf den 1. November eines Jahres fallende christliche Hochfest Allerheiligen in Nordrhein-Westfalen, nicht dagegen in Hessen, ein gesetzlicher Feiertag. Das beklagte Klinikum schrieb dem Kläger für die Teilnahme an der Fortbildung am 1. November 2021 insgesamt zehn Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gut. Einen Feiertagszuschlag gewährte es für diese Stunden nicht. Einer entsprechenden Aufforderung des Klägers zur Zahlung von – der Höhe nach unstreitigen – Zeitzuschlägen für die Teilnahme an der arbeitgeberseitig angeordneten Schulung am 1. November 2021 kam die Arbeitgeberin nicht nach und entgegnete, dass für Fortbildungen weder Feiertags- noch Überstundenzuschläge gezahlt werden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, für seinen Anspruch auf Feiertagszuschläge seien die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse am regelmäßigen Beschäftigungsort maßgeblich. Die zuvor genannte tarifvertragliche Regelung honoriere die starke Belastung durch Feiertagsarbeit. Diese wurzele in der besonderen sozialen, gesellschaftlichen und religiösen Bedeutung von Feiertagen. Den Menschen solle die Möglichkeit zu Kirchgang, Zusammenkunft mit ihren Familien und Freunden oder zur Teilhabe an gesellschaftlichen Ereignissen gegeben werden. Die Tarifvertragsparteien hätten daher für die Definition der auszugleichenden Erschwernisse das persönliche Umfeld der Arbeitnehmer zugrunde gelegt, um die negativen Konsequenzen von Feiertagsarbeit zu kompensieren, da sich typischerweise der regelmäßige Beschäftigungsort am Wohnsitz des Arbeitnehmers befinde. Der regelmäßige Beschäftigungsort sei auch deshalb ausschlaggebend, weil der Arbeitgeber die Zuschlagspflicht andernfalls durch einen kurzfristigen Einsatz des Arbeitnehmers in einem Bundesland ohne Feiertag umgehen könnte.
Während das Arbeitsgericht Münster der Klage stattgab, hat das Landesarbeitsgericht Hamm diese unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der seitens des Klägers eingelegten Revision hat das BAG diesem weitestgehend recht gegeben.
Danach steht Beschäftigten nach Auslegung der tarifvertraglichen Vorschriften der Anspruch auf entsprechende Zeitzuschläge für Feiertagsarbeit dann zu, wenn diese an einem Tag ihre Arbeitsleistung erbringen, welcher an dessen regelmäßigem Beschäftigungsort ein gesetzlicher Feiertag ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BAG müssen abweichende Regelungen deutlich erkennbar sein. Durch die Vereinbarung der höchsten Zuschläge für die Arbeit an Feiertagen zusammen mit der an Heiligabend und Silvester, komme die besondere Bedeutung zum Ausdruck, die die Tarifvertragsparteien dem Recht der Arbeitnehmer beigemessen haben, Zeiten der Arbeitsruhe und seelischen Erbauung, die in der sozialen Wirklichkeit seit jeher insbesondere auch im Freundeskreis, einem aktiven Vereinsleben und in der Familie stattfinden, gemeinsam zu gestalten. Die mit der Erbringung von Feiertagsarbeit verbundene fehlende Teilhabe des betroffenen Arbeitnehmers hieran soll daher eine besondere Kompensation durch die Zahlung entsprechender Zeitzuschläge erfahren. Ergänzend wies das BAG darauf hin, dass es für den tariflichen Zuschlagsanspruch unerheblich ist, ob eine Beschäftigung an einem gesetzlichen Feiertag gegen Normen des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrechts verstößt und damit rechtswidrig ist.

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Fazit:

Mit der oben zitierten Entscheidung hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und betont, dass die in Tarifverträgen verankerten Zeitzuschläge sich nur dann nicht auf den regelmäßigen Beschäftigungsort beziehen, wenn die tariflichen Regelwerke selbst eindeutige Hinweise auf eine solche abweichende Regelung enthalten.

Im Hinblick auf die praxisrelevante Frage nach einer Zuschlagspflichtigkeit bei Erbringung der Arbeitsleistung an einem anderen Ort, als dem der regelmäßigen Beschäftigung stellt das BAG mit der hier zitierten Entscheidung klar, dass die entsprechenden Zuschläge unabhängig vom Grund der arbeitgeberseitig angeordneten Abwesenheit vom regelmäßigen Beschäftigungsort anfallen. Arbeitnehmer:innen sind daher gehalten, auf die ihnen zustehenden tariflichen Zuschläge im Rahmen von Dienstreisen oder arbeitgeberseitig angeordneten Schulungen auch dann zu bestehen, wenn am tatsächlichen Aufenthaltsort entsprechende Zuschläge grundsätzlich nicht gezahlt werden.

Nico Bischoff, Rechtsanwalt
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