Arbeitszeiterfassung für alle – Arbeitsgericht Emden (2 Ca 94/19)
Immer wieder kommt es vor deutschen Arbeitsgerichten zu Verfahren, in denen die Arbeitszeiterfassung streitgegenständlich ist.
Der EuGH hat am 14.05.2019 in einem vielbeachteten Urteil klargestellt, dass europäische Arbeitgeber nicht nur die Überstunden, sondern die komplette Arbeitszeit Ihrer Arbeitnehmer erfassen müssen.
Die genaue Umsetzung und die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich des deutschen Rechts blieben in der Folge offen. Ein Umsetzungsgesetz oder anderweitige Umsetzung des Urteils stand bisher aus. Der Staat hat hier keinen Handlungsbedarf gesehen. In der Literatur wurde vielfach die Meinung vertreten, dass es sich bei dem Urteil und den sich daraus ergebenden Folgen um eine reine Handlungsempfehlung handeln würde. Dabei wurde bisher völlig übersehen, dass der EuGH bereits in zwei zeitlich zuvor liegenden Entscheidungen (EuGH v. 06.11.2018, C-569/16 und C-570/16) entschieden, dass sich direkt aus Art.31 Abs. 2 GrCh ein Anspruch der Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber ergibt und es dafür keiner weiteren Umsetzungsentscheidung des nationalen Gesetzgebers bedarf.
Dies vorweg hat nunmehr das Arbeitsgericht Emden in einer mit Urteil vom 20.0.2.2020 – 2 Ca 94/19 diesen Urteilen Rechnung getragen. Das Arbeitsgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, ein Zeiterfassungssystem einzurichten und zu betreiben.
Dieses Urteil und die sich daraus ergebende Verpflichtung des Arbeitsgebers zur Einrichtung eines verlässlichen und zugänglichen Zeiterfassungssystems, wird die Unternehmen vor erhebliche wirtschaftliche Probleme stellen. Wie bereits zuvor ausgeführt, geht es in Prozessen oft um die Auszahlung von Arbeitsstunden. Bisher oblag es immer dem Arbeitnehmer konkret die abgeleisteten Stunden darzulegen und zu beweisen. Dies scheiterte bei vielen Arbeitsgerichten bereits daran, dass die Arbeitnehmer keine exakten Arbeitszeiten angeben konnten oder nur rudimentäre Aufzeichnungen besaßen, bei denen Pausenzeiten oder ähnliches keine Berücksichtigung fanden.
Die Anwendung der Rechtsprechung des EuGH und das Urteil des Arbeitsgerichts Emden führen nun jedoch dazu, dass der Arbeitgeber in der Beweispflicht ist. Kann er mangels eines Arbeitszeiterfassungssystems den Vortrag des Arbeitnehmers nicht widerlegen, so bleibt er beweisbelastet und wird zur Zahlung der streitgegenständlichen Arbeitsstunden verurteilt.
Arbeitsgericht Emden (2 Ca 94/19) – erste Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung
Der Kläger war Bauhelfer und war aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages beschäftigt. Als es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam, klagte er unter anderem wegen von ihm erbrachter Arbeitsleistungen, die einen Umfang von 195,05 Stunden aufwiesen. Die Stunden hatte er anhand seiner handschriftlichen Aufzeichnung nachgewiesen. Der Arbeitgeber verwies auf „Stundenrapporte“, die lediglich 183 Stunden auswiesen und auf das Bautagebuch, mit dessen Hilfe die Stundenerfassung von Arbeitsbeginn und Arbeitsende erfolgte. Hierin unberücksichtigt waren jedoch Fahrt- und Rüstzeiten, die auch als Arbeitszeit gelten.
Das Arbeitsgericht Emden hat der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben. Der Kläger ist mit der Vorlage der handschriftlichen Aufzeichnungen seiner Darlegungs- und Beweislast nachgekommen. Der Vortrag des Arbeitgebers hat indes nicht ausgereicht, dass der Beklagte gegen die bestehende Verpflichtung zur Einrichtung eines Zeiterfassungssystems verstoßen habe und dadurch keine zuverlässigen und nachvollziehbaren Aufzeichnungen vorlagen. Das Bautagebuch reiche hierfür nicht aus, da dort Arbeitszeiten in Form von Rüst- und Fahrtzeiten nicht enthalten sind.
Aus dem Urteil ergeben sich unabsehbare wirtschaftliche Risiken für Arbeitgeber. Sollten diese zukünftig kein System zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten betreiben, dann werden entsprechende Vergütungsklagen die Folge sein. Die Zukunft wird zeigen, ob sich weitere Arbeitsgericht dem Anschließen und wie dies Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht bewerten werden. Inhaltlich und rechtlich ist das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 20.02.2020 zum Aktenzeichen 2 Ca 94/19 jedenfalls nicht zu beanstanden.
Aus dem Urteil ergeben sich unabsehbare wirtschaftliche Risiken für Arbeitgeber. Sollten diese zukünftig kein System zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten betreiben, dann werden entsprechende Vergütungsklagen die Folge sein. Die Zukunft wird zeigen, ob sich weitere Arbeitsgericht dem Anschließen und wie dies Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht bewerten werden. Inhaltlich und rechtlich ist das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 20.02.2020 zum Aktenzeichen 2 Ca 94/19 jedenfalls nicht zu beanstanden.
Aus dem Urteil ergeben sich unabsehbare wirtschaftliche Risiken für Arbeitgeber. Sollten diese zukünftig kein System zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten betreiben, dann werden entsprechende Vergütungsklagen die Folge sein. Die Zukunft wird zeigen, ob sich weitere Arbeitsgericht dem Anschließen und wie dies Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht bewerten werden. Inhaltlich und rechtlich ist das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 20.02.2020 zum Aktenzeichen 2 Ca 94/19 jedenfalls nicht zu beanstanden.
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