Teil 1: Wie sich Teile des Volkes und die etablierte Politik entfremden konnten

Auf dem Weg in den Bürgerkrieg?

Andreas Herteux

Analyse von Andreas Herteux

Deutschland im Jahre 2016. Ein gespaltenes Land. Radikalisierungen. Kommunikationsprobleme. Unverständnis. Wut. Auf dem Weg in den Bürgerkrieg oder zumindest in eine schwere gesellschaftliche Krise?

Doch, wie konnte es dazu kommen? Was sind die Ursachen? Wohin wird der Weg führen und welche Lösungen gibt es, um diesen Zustand zu überwinden?

Die Artikelserie "Auf dem Weg in den Bürgerkrieg?" möchte sich mit genau diesen Fragen beschäftigen. Nicht parteinehmend, nicht eifernd, sondern neutral analysierend und mit problemlösender Absicht.

Sie beginnt damit, wie sich Teile des Volkes und die Politik entfremden konnten und macht nicht den Fehler, sich in der Beschreibung von Symptomen zu verlieren, sondern benennt die Ursache. Diese Benennung einer Ursache mag zum Widerspruche reizen, doch ist eine scharfe Diskussion besser, als schweigendes Unverständnis, das sich seinen Weg in den Bürgerkrieg bahnen könnte.

Was also ist die Antwort? Wie kam es zu der Entfremdung? Eine spontane Entwicklung? Oder ein schleichender Prozess? Eine interessante Frage und daher soll auch unmittelbar mit der Kernthese begonnen werden.

Migrationspolitik. Euro. Bildung. Familie. Europa. Internationale Abkommen. Mitbestimmung. Viele Themen, die nun zur Spaltung der Gesellschaft beitragen, haben ihren Ursprung bereits in den vergangenen Jahrzehnten. Sie sind Teil eines "Gesellschaftsvertrages", eines angenommenen Konsenses, von dessen Existenz die politische Elite in diesem Land ausgeht und diesen auch so kommuniziert. Dieses Selbstverständnis ist eine der zentralen Ursachen für die Spaltung des Landes.

Eine gewagte These? Erläutern wir diese am Beispiele der aktuellen Migrationspolitik und ordnen diese in den historischen Kontext ein: Die Lösung etwaiger demographischer Probleme durch Zuwanderung von Wirtschaftsmigranten aus Ländern außerhalb des EU-Raumes, wurde bereits am Anfang des neuen Jahrtausends fest als strategische Option verankert (z.B. im Amsterdamer Vertrag, 1999). Das "Grünbuch zur Arbeitsmigration" (Europäische Kommission, 2005), an dieser Stelle als Beispiel für ein festhaltendes Dokument genannt, war für jeden Interessierten einsehbar, gleichfalls die Stellungnahmen der Regierungen oder Wirtschaftsverbände zu diesem. Sie sind es noch. Spätestens ab 2005 gab es erste Modellversuche der konkreten Anwerbung (z.B. Zusammenarbeit zwischen Marokko und Spanien, 2006 oder der Eröffnung eines EU-Job-Centers in Mali, 2008), die letztendlich nur durch die Finanzkrise unterbrochen wurden. Dass die konkrete Umsetzung dieser Strategie für Deutschland, ab September 2015, auf eine derartig umfassende Art und Weise erfolgte, die auch so manchen EU-Staat brüskierte, mag überraschen.

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Nicht überraschen darf aber der gewollte Vorgang der Zuwanderung an sich, der den Bürgern seit Jahren bekannt hätte sein können. Die Frage, ob es zu einem derartigen Hinterfragen gekommen wäre, wenn die Zuwanderung kontrolliert erfolgt wäre, darf durchaus gestellt werden. Ähnlich verhält es sich mit diversen anderen Themen wie beispielsweise Euro, Euro-Rettung, BIldungs-, Gesundheits- und Arbeitsmarktreformen, die Europäische Union, Kriegseinsätze oder Freihandelsabkommen (vgl. z.B. Vertrag von Lissabon).

Keines dieser Themen ist kürzlich erwachsen. Sie alle blicken auf, teilweise jahrzehntelange, Reifephasen zurück und sind daher, aus Sicht der politisch Verantwortlichen, vielfach durch Wahlen, demokratisch legitimiert. Wieder und wieder. Aus diesem Prozess heraus ist ein Selbstverständnis entstanden, welches Widerstände erst einmal nicht ernstnehmen kann. Es gar nicht erst darf.

Am sinnvollsten erscheint es, sich die Politik als einen Markt vorzustellen. Parteien sind Marktteilnehmer, haben Marktanteile und damit Marktmacht. Bisher haben die Bürger, also die Kunden größtenteils, immer die Güter und deren Weiterentwicklungen gewählt, die angeboten wurden. Nun scheint ein Teil dieser Menschen seinen Bedarf nicht mehr an den Ständen abdecken zu wollen. Wie reagieren nun die Händler? Sollen diese ihre Güter aus dem Sortiment nehmen? Die Güter auf Qualitätsmängel untersuchen? Bewährte und lange entwickelte Dauerbrenner aufgeben? Man hat doch schon wieder so viel in die Weiterentwicklung investiert! Neue Händler mit einem anderen Angebot zulassen? Oder ihre Marktmacht nutzen, um die Nachfrage wieder in ihre Bahnen zu lenken und den neuen Geschmack eines Teils der Kunden, es sind ja doch längst nicht alle, als reine Modeerscheinung abtun? Was würden Sie tun?

Wenn gelegentlich ein Teil des Volkes den großen, immer scheinbar wieder bestätigten, Konsens verlässt, dann stehen die politischen Kräfte vor der Wahl, eine jahrzehntlange Linie abzubrechen oder aber dieses als ein Strohfeuer zu werten, das sich mit Ausdauer und Geduld ersticken lässt. Lange Zeit hat jenes gut funktioniert und die positiven Ergebnisse bei Wahlen gaben den Verantwortlichen, aus ihrer Sicht, eine Bestätigung ihres Tuns. Kurz und knapp zusammengefasst: Aus ihrer Sicht möchte die Bevölkerung den Weg in Richtung eines Ideals, das vor vielen Jahren entwickelt und vorgestellt wurde, mitgehen und nimmt dabei auch in Kauf, dass es auf diesem Weg Probleme geben kann. Kurzfristige Verärgerungen sind ignorier- und steuerbar. So die Grundannahme.

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Wenn daher von einem "Kommunikationsproblem" oder einem "Erklärungsbedarf" geredet wird, dann ist dieses tatsächlich vielfach, wenn auch nicht immer, keine vorgeschobene Heuchelei, sondern oft reale Verständnislosigkeit. Eher ist man von verantwortlicher Seite dazu geneigt, anzunehmen, dass Menschen diesen "Gesellschaftsvertrag" schlicht nicht verstanden hätten, bevor man ihn zu hinterfragen bereit ist. Auch hier fühlt man sich dadurch, dass viele Proteste primär im Osten auftreten, eher bestätigt als angegriffen, den dort leben dann eben Menschen, die diesem "Gesellschaftsvertrag" noch nicht so gut kennen. Oder man muss ihn pädagogisch wieder in Erinnerung rufen. Als Folge wird die Marktmacht eingesetzt, um das vermeintliche Strohfeuer zu löschen und die Dinge nehmen ihren unheilvollen Lauf.

Es ist daher am Ende völlig belanglos, ob dieser Konsens existiert. Ob dieser nur künstlich erzeugt wurde. Ob die Politik irgendwann diesen überzogen bzw. abgeändert hat. Oder ob das Desinteresse großer Teile des Volkes die Existenz eines "Gesellschaftsvertrages" nur suggerierte:

Es brennt. Überall.

Wir haben mittlerweile ein Kommunikationsdesaster, ein verniedlichter Ausdruck für eine Ursache, deren Wirkungen in einem Bürgerkrieg münden könnten. Schein? Oder nicht? Der "Gesellschaftsvertrag" muss auf den Prüfstand!
Ist er real? Wenn ja, dann sind auch die heutigen Proteste erneut die genannten Strohfeuer. Wenn nein, ist es an der Zeit, ein neues Gleichgewicht, den Konsens, zu finden, denn sonst führt der Weg in den Bürgerkrieg.

Denn wichtig ist nur eines: Das Funktionieren des Marktes. Dieser Markt ist die Demokratie selbst, völlig gleich, welche Händler welche Güter anbieten. Verlassen zu viele den Platz des Handelns und der Kommunikation, ist die Demokratie dahin. Dieses kann und darf kein echter Demokrat wollen.

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Andreas Herteux, Jahrgang 1981, ist ein deutscher Schriftsteller, Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler. Seine Publikationen reichen von Philosophie, über die Beschreibung politischer und wirtschaftlicher Mechanismen, hin zur anspruchsvollen und originellen Unterhaltungsliteratur. Von ihm sind bislang erschienen:

* Grundlagen der Weltenphilosophie (ISBN-10: 3945509025)
* Identitätsorientierte Führung einer politischen Marke: In der Theorie und am praktischen * Beispiel der Freien Demokratischen Partei (FDP) (ISBN-10: 3639490487)
* Aus dem Leben eines Teufels: Die Prüfung (ISBN-10: 3739221011)
* Aus dem Leben eines Teufels (ISBN-10: 3849591344)

Für nähere Informationen besuchen Sie die offizielle Website http://andreasherteux.jimdo.com/ oder die Facebookpräsens: https://www.facebook.com/AndreasHerteux/

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