Julia Kühnle

Email

logo.jpg

„Der Fahrzeugschein gehört nicht in Auto!“ – diesen in der Bevölkerung viel verbreiteten Satz hat das Oberlandesgericht Dresden widerlegt. Sofern dem Versicherungsnehmer der Vorwurf gemacht werden kann, den Versicherungsfall durch sein eigenes Verhalten quasi provoziert zu haben, kann dies grundsätzlich zur Leistungskürzung bzw. Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Dies gilt aber nicht bei jeder unbedachten bzw. fahrlässigen Handlung des Versicherungsnehmers. So entschied dies nunmehr auch das Oberlandesgericht Dresden mit Urteil vom 12.04.2019, Az 4 U 557/18. Demnach kann sich der Kaskoversicherer nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn der Fahrzeugschein im Handschuhfach eines geparkten PKW verwahrt wird und das Fahrzeug – samt Fahrzeugschein – gestohlen wird.

Was war geschehen?

Die Klägerin begehrte aufgrund des Diebstahls des eigenen Kraftfahrzeuges von der Beklagten (= eigene Kfz-Kaskoversicherung) vertragsgemäße Leistungen. Der Versicherer berief sich auf Leistungsfreiheit, u. a. wegen Gefahrerhöhung bzw. vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls, da die Klägerin den Fahrzeugschein (= Zulassungsbescheinigung Teil I) im Handschuhfach des Fahrzeuges aufbewahrt hatte.

Entscheidung:

In seiner Urteilsbegründung führte das Gericht aus, wonach das Aufbewahren des Fahrzeugscheins nicht zur Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers führt. Von einer durch die Klägerin zu verantwortende Gefahrerhöhung sei insoweit im Hinblick auf das Diebstahlsrisiko nicht auszugehen. Weiter verneinte das OLG die Möglichkeit der Leistungskürzung des Versicherers wegen vorsätzlicher oder auch nur grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sinn des § 81 I, II VVG. Das vorsätzliche oder grob fahrlässige Aufbewahren des Fahrzeugscheins im Handschuhfach reicht hierfür nicht aus. Denn das dafür erforderliche qualifizierte Verschulden muss sich auch auf den Versicherungsfall selbst, also das Entwenden des Fahrzeuges beziehen. Auch wenn es für einen Dieb im Nachgang zu einem Diebstahl als vorteilhaft erweise, den Fahrzeugschein zu besitzen, sei das Verwahren des Fahrzeugscheins im Fahrzeug in aller Regel nicht kausal für die Entwendung. Eine Leistungsfreiheit bzw. Kürzung durch den Versicherer ist insoweit nicht möglich.

Weitere Meldungen:  Private Videoaufnahmen als Beweismittel im Zivilprozess - Prozessführung

 

JuS Rechtsanwälte Schloms und Partner

Ulrichsplatz 12

86150 Augsburg

Tel. 0821/34660-94

Fax. 0821/34660-81

e-mail: kuehnle@jus-kanzlei.de

www.jus-kanzlei.de