Rechtsprechung: “Zur Bonushöhe bei variablen, leistungsbezogenen Sonderzahlungen!”.
Verfasser: RA Christoper Koll, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Anwaltsbüro Bell & Windirsch, Düsseldorf

Bonushöhe bei variablen,   leistungsbezogenen Sonderzahlungen

RA Christopher Koll, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Hat ein Arbeitgeber nach § 315 BGB über einen Bonusanspruch zu entscheiden, der gleichermaßen auf der Ertragslage des Unternehmens wie auf der Leistung des Arbeitnehmers beruht, muss ein festzusetzendes Bonusbudget – in Abhängigkeit von der Ertragslage – regelmäßig eine Größenordnung erreichen, die den Leistungsbezug des Bonussystems beachtet und ausreicht, die durch Abschluss von Zielvereinbarungen angestrebten und tatsächlich erbrachten Leistungen angemessen zu honorieren.
(amtlicher Leitsatz)
BAG vom 19.03.2014 – 10 AZR 622/13

Auch in hiesigen Unternehmen greifen Gehaltsmodelle immer weiter um sich, die nicht mehr nur auf das monatliche Festgehalt und weitere feste Sonderzahlungen wie z.B. 13. Gehälter abstellen, sondern auch sog. variable Gehaltsbestandteile vorsehen. Häufig wird im Arbeitsvertrag ein sog. Zielgehalt, also ein maximal am Jahresende erreichbares Jahresgehalt ausgewiesen, das sich dann in ein Festgehalt und einen variablen Gehaltsbestandteile aufteilen. Aber auch in tariflichen Gehaltssystemen tauchen derartige variable Zusatzleistungen auf, als Beispiel sei nur die Leistungsbeurteilung nach ERA genannt. Im Übrigen sind unterschiedlichste Fallgestaltungen denkbar, die eine juristische Einordnung derartiger Gehaltssysteme sehr erschweren können. Das BAG hat in der zitierten Entscheidung nunmehr einige Klarstellungen und Zusammenfassungen zur derzeitigen Rechtsprechung in diesem Bereich getroffen, die die Arbeitnehmerrechte stärken.

Im entschiedenen Fall ging es um eine Bank, die in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren dem Kläger überhaupt keinen variablen Bonus ausgezahlt hatte, in einem dritten Jahr nach Auffassung des Klägers in zu geringer Höhe. Das BAG hat die Klage in Bezug auf die ersten beiden streitbefangenen Jahre zwar abgewiesen, dabei aber wichtige Klarstellungen in Bezug auf die Freiheiten des Arbeitgebers bezüglich der Entscheidung über die Bonushöhe getroffen. Wie auch im entschiedenen Fall ist es klassischerweise so, dass die Höhe des Bonus an die Erreichung bestimmter Ziele innerhalb eines Geschäftsjahres geknüpft wird. Dabei wird regelmäßig zwischen Unternehmenszielen und persönlichen Zielen unterschieden. Unternehmensziele beziehen sich auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens im Geschäftsjahr (z.B. Ertragslage), persönliche Ziele dagegen auf die Qualität der persönlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im fraglichen Zeitraum.

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Um die Ziele am Anfang des Geschäftsjahres zu definieren, wird regelmäßig eine sog. Zielvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossen, die dann dem Arbeitnehmer anzeigt, mit welchen Leistungen er Einfluss auf die Höhe seines Bonus” am Ende des Geschäftsjahres nehmen kann. Der Rahmen für die endgültige Zielvereinbarung kann im Arbeitsvertrag vorgegeben sein, er kann sich aber auch aus kollektiven Regelungen (z.B. Betriebsvereinbarungen) ergeben. Nicht selten fehlen auch jegliche Vereinbarungen mit der Folge, dass der Arbeitgeber sich dazu berechtigt glaubt, die Spielregeln jährlich zu ändern. Und schließlich häufen sich die Fälle, in denen Arbeitgeber die gesamte Bonuszahlung unter einen sog. “Freiwilligkeitsvorbehalt” stellen.

In dieser Gemengelage trifft das BAG nunmehr folgende wesentliche Feststellungen:

– Ein Vorbehalt im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitgeber am Ende des Geschäftsjahres frei darüber entscheiden kann, ob er überhaupt einen solchen auszahlen will, ist unwirksam, wenn die Bonushöhe durch eine Zielvereinbarung (zumindest auch) an eine bestimmte Leistung des Arbeitnehmers im Geschäftsjahr geknüpft wurde.

– Die Bestimmung der Zielerreichung und die Festlegung der konkreten Bonushöhe unterliegt billigem Ermessen gem. § 315 BGB. Die Frage, ob dieses durch den Arbeitgeber eingehalten wurde, unterliegt der vollen arbeitsgerichtlichen Überprüfung. Für den Umstand der Einhaltung billigen Ermessens ist der Arbeitgeber in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Es reicht daher aus, wenn der Arbeitnehmer die Einhaltung zunächst nur bestreitet.

– Eine Ermessensentscheidung, wonach der Bonus am Ende eines Geschäftsjahres vollständig auf Null reduziert ist, ist nur in besonderen Ausnahmefällen denkbar, z.B. bei der zutreffenden Darlegung einer besonders schweren wirtschaftlichen Situation (z.B. erhebliche Verluste im Geschäftsjahr).
Im zitierten Fall war es die katastrophale wirtschaftliche Lage der Bank in den ersten beiden Geschäftsjahren, die den Arbeitgeber ausnahmsweise dazu berechtigte, den Bonus auf Null zu reduzieren. Für das dritte Geschäftsjahr wurde der Fall an das zuständige LAG zurückverwiesen, u.a. um die oben aufgeworfenen Fragen näher zu klären.

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Fazit:
In der Praxis sorgen variable Gehaltsbestandteile immer wieder für erheblichen Ärger in den Unternehmen. Auch genaueste Regelungen in diesem Bereich können nicht verhindern, dass die Bonuszuteilung am Ende des Jahres von vielen Betroffenen als reine Willkür empfunden wird. In diesem Bereich sorgen die Klarstellungen des BAG für mehr Rechtssicherheit, die auch die Erfolgsaussichten vor Gericht für die Arbeitnehmer deutlich erhöhen. Insofern sind die Unternehmen jetzt in der Rechtfertigungspflicht, wenn sie Boni gar nicht oder nur in deutlich reduzierter Höhe auszahlen wollen. Im Übrigen ist natürlich darauf hinzuweisen, dass das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte aus § 87 Abs. 1 Nr. 10, 11 BetrVG in diesem Bereich sehr weit reicht und sich – mit Ausnahme der Festlegung des Gesamtbudgets – auf alle Aspekte eines Bonussystems bezieht.

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