Nerven wie Drahtseile, ein kühler Kopf und das Talent für schnelle Entscheidungen und klare Ansagen: wenn es wirklich ernst wird, kommt Mirko Jacubowski bei Thomas Cook zum Einsatz – und zwar als Krisenmanager.
Krisensituationen treffen die Reisebranche häufig. Sie reichen von Terrorangriffen über politische Unruhen oder Streiks bis hin zu Naturkatastrophen. Während andere noch den ersten Schock oder den Ärger über neuerliche Streiks verdauen, ist Jacubowski bereits aktiv.
Herr Jacubowski, wann beginnt Ihr Einsatz?
Wir haben hier bei Thomas Cook ein Frühwarnsystem, das uns ständig mit Meldungen von Nachrichtenagenturen, dem Auswärtigem Amt und den Informationen der deutschen Botschaften im Ausland ständig auf dem Laufenden hält. Sobald sich irgendwo etwas zusammenbraut, kommt unser 15-köpfiger Krisenstab zusammen. Dann werden für eine halbe Stunde die Handys ausgeschaltet und wir diskutieren intensiv, welche Schritte eingeleitet werden müssen, wer kontaktiert werden muss und wie die Kommunikation intern und mit den Gästen ablaufen soll. Außerdem stehen wir natürlich in direktem Kontakt mit unseren Reiseleitern in den Zielgebieten.
Das klingt nach schlaflosen Nächten und wenig Freizeit…
Das stimmt schon. Gefühlt treten die meisten Krisen auch am Wochenende auf (lacht). Die vergangenen Jahre waren für den Tourismus äußerst krisenintensiv, aber auch in “normalen” Jahren kommen wir auf vier bis fünf wirklich ernste Fälle. “Ernst” meint in diesem Fall Terroranschläge, Naturkatastrophen oder Epidemien. Unser Krisenstab tagt aber auch bei “kleineren” Krisen wie Hotelbränden, gehäuften Erkrankungsfällen oder wenn ein Wirbelsturm im Anmarsch ist. Immer dann, wenn unsere Gäste betroffen sein könnten oder eine potenzielle Gefahr abgewendet werden muss, sind wir am Zug.
Okay, und welches sind Ihre ersten Schritte, wenn zum Beispiel ein Hurrikan auf die Yukatan-Halbinsel zurast?
Wir können uns auf Knopfdruck einen Überblick über die Lage verschaffen: Wie viele unserer Gäste sind vor Ort? Wo sind sie untergebracht? Welche alternativen Unterbringungsmöglichkeiten oder auch Flugverbindungen haben wir? Wie stuft das Hurrikan-Zentrum in Miami die Gefahr und den weiteren Kurs des Sturms ein? In einem Krisenhandbuch haben wir alle Schritte und Szenarien schon durchgespielt, so dass im Ernstfall alles fast automatisch abläuft. So gehen unsere gesammelten Informationen und regelmäßige Updates an das Team vor Ort – Reiseleiter, Hoteliers und Incoming-Agenturen.
Außerdem gibt es einen festen Krisenverteiler, der zum Beispiel die Unternehmens-kommunikation, die Produktmanager oder auch die Reiseleiter umfasst. Jeder hat eine ganz genau definierte Funktion, und im Ernstfall greifen die einzelnen Rädchen dann reibungslos ineinander.
Und wie erlebe ich als Urlauber so eine Krise?
Im besten Fall läuft für Sie alles ganz harmonisch ab. Hier liegt ja der große Vorteil einer vom Veranstalter organisierten Reise: Sie werden entweder vom Reiseleiter oder dem Hotelpersonal rechtzeitig informiert und wenn nötig umgebucht oder vor Ort in ein anderes Hotel gebracht. Außerdem haben Sie die Möglichkeit, sich für SMS-Assist, unser TÜV-zertifiziertes Krisenmanagement in der Travelguide-App, anzumelden. So werden Sie im Krisenfall per SMS mit notwendigen Informationen versorgt. Alles Weitere läuft hinter den Kulissen ab, und Sie brauchen sich darum überhaupt nicht zu kümmern. Der Individualurlauber hat in diesem Fall natürlich schon ein bisschen mehr Stress, weil er sich um die neuesten Nachrichten, Flug- und Hotelumbuchungen sowie Wetter-Updates allein kümmern muss.
Vor welche besonderen Herausforderungen stellen Sie Terroranschläge, wie sie in diesem Jahr wiederholt passiert sind?
Die Prozesse im Krisenmanagement sind grundsätzlich dieselben wie bei Naturkatastrophen und anderen Problemen. Aber natürlich spielen bei solchen schrecklichen Ereignissen neben den eigentlichen Geschehnissen zahlreiche weitere Faktoren eine Rolle. Neben den möglicherweise unmittelbar betroffenen Gästen haben wir auch für das Wohl der Gäste Sorge zu tragen, die einen Anschlag miterlebt haben oder die sich einfach nur im selben Zielgebiet befinden und nun besorgt sind. Dabei spielt psychologische Unterstützung durch unsere Teams vor Ort eine wichtige Rolle. Hinzu kommen die Herausforderungen, die sich aus der Einschätzung der Sicherheitslage durch das Auswärtige Amt ergeben. Müssen wir unsere Gäste aktiv aus dem Zielgebiet holen? Und wenn ja, wie stellen wir die erforderlichen Flugkapazitäten sicher? Liegt eine Reisewarnung vor, die uns verpflichtet, die Reiseverträge mit unseren Kunden zu kündigen? Wie gehen wir mit Wünschen nach Umbuchungen und Stornierungen um? Alle diese Fragen müssen abgestimmt und zu einer Lösung gebracht werden – und zwar oft unter erheblichem Zeitdruck.
Gibt es Dinge, die in Sachen Krisenmanagement verbessert werden sollten?
Wir selbst arbeiten natürlich ständig daran, unser eigenes Krisenmanagement weiter zu verbessern. Es gibt allerdings einige verbesserungswürdige externe Faktoren, bei denen wir auf Partner angewiesen sind. Ein großes Manko ist es, dass die Behörden der europäischen Quellmärkte in jüngster Zeit immer öfter unterschiedliche Einschätzungen der Sicherheitslage gelangt sind und dementsprechend unterschiedliche Sicherheitshinweise herausgegeben haben. Unseren Kunden ist es aber kaum vermittelbar, warum zum Beispiel englische Gäste nach Hause geflogen werden, während deutsche Urlauber im Zielgebiet bleiben können. Hier wäre eine bessere Koordination unter den europäischen Behörden dringend erforderlich. Ein weiteres Beispiel sind die Handynummern und E-Mail-Adressen unserer Gäste, mit denen wir im Notfall so schnell wie möglich Kontakt aufnehmen müssen. Unsere Reisebüropartner sollten uns diese Kontaktdaten im eigenen Interesse grundsätzlich zur Verfügung stellen, damit wir zielgerichtet handeln können.
Die Thomas Cook AG ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Thomas Cook Group plc, die an der Londoner Börse notiert ist. Die Thomas Cook AG deckt in Deutschland den gesamten Bereich touristischer Leistungen für verschiedene Zielgruppen ab. Zum Unternehmen gehören mit Neckermann Reisen, Thomas Cook, Öger Tours, Bucher Last Minute und Air Marin führende und renommierte Veranstaltermarken sowie die Ferienfluggesellschaft Condor.
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