Ein Gespräch mit dem Freiburger Soziologen Sacha Szabo über Camper, Schausteller und Wagenburgen

Sacha Szabo im Gespräch

Bald ist es wieder soweit, die Sommerferien beginnen und wieder zieht es die Deutschen in den Süden häufig mit einem Wohnwagen am Anhänger. Camping erfreut sich seit Jahren ungebrochener Beliebtheit. Dabei wundert es, was daran so schön sein soll wenn man die voll ausgestatteten Caravans sieht und sich unmerklich fragt, da hätte man ja auch gleich ins Hotel gehen können und müsste dann nicht noch selbst kochen. Es scheint eine Faszination vom Wohnwagen auszugehen, denn er wird mit dem Urlaub und mit Freiheit in Verbindung gebracht. Wir sprachen mit dem Freiburger Soziologen Sacha Szabo vom Institut für Theoriekultur über dieses Phänomen.

Warum sind Wohnwägen so beliebt?
Sacha Szabo: Es hilft schon sehr, wenn man einen Wohnwagen einmal ganz unvoreingenommen betrachtet. Es ist ein Wohn- und Schlafraum auf Rädern. Der Wohnwagen ermöglicht eine Auszeit vom Alltag, der ja häufig durch Immobilität gekennzeichnet ist. Man kann also seine Behausung transportieren. Häufig wird ja ein Ort aufgesucht, den man als subjektiv schön empfindet, häufig ist dieser Ort aber in der Fremde. Und so bringt man etwas Vertrautes in die Fremde. Dies ist die phänomenologische Betrachtung eines Wohnwagens. Daraus kann man schon viel herauslesen, auch wenn ich natürlich weiß, dass viele Camper über viele Jahre, teilweise Jahrzehnte, immer den gleichen Campingplatz anfahren. Aber das hat etwas mit dem Wechselspiel von Fremd und Vertraut zu tun.

Hat es etwas damit zu tun, dass Menschen ursprünglich Nomaden waren? Steckt das vielleicht sogar in unseren Genen?
Sacha Szabo: Das Motiv des Nomadischen halte ich nicht für überzeugend. In der Mehrzahl wird ja nach dem Urlaub wieder zurück in das alte Leben gefahren. Aber natürlich schwingt ein wenig die Vorstellung von Freiheit, dorthin zu gehen wo es schön ist, mit. Aber es gibt natürlich auch ganz andere Gruppen die auch mit Wohnwägen assoziiert werden. Es sind Leute die in Wagenburgen leben, in umgebauten Bauwagen und alten Lastwagen. Hier spielt es eine große Rolle, dass ein Leben gewählt wird, dass sich nicht wortwörtlich verorten lässt, sondern eine freie Lebensweise bedeutet. Grund bedeutet hier auch immer Eigentum das eben auch Verpflichtungen und Bindungen nach sich zieht, die nicht gewollt sind. Ja man kann diese Gedanken sogar noch weiter denken. Eigentum ist die Grundlage auf der unsere Gesellschaft aufgebaut ist und in der Ablehnung dieses Modells, wird eine Alternativgesellschaft praktiziert.

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Ist das das “Fahrende Volk? Welche sind das? Das Fahrende Volk?
Sacha Szabo: Nein, Den Begriff “fahrendes Volk” benutzt man eigentlich nicht mehr. Er hat heutzutage auch eine negative Distinktion. Früher waren dies Gaukler, Schausteller, Sinti und Roma, also ganz unterschiedliche Gruppen die nur eine nicht-sesshafte Lebensweise kennzeichnete. Aber die Lebenssituation eines Sinti oder Roma ist mit der eines Schaustellers überhaupt nicht vergleichbar. Die Schaustellerei ist ein Beruf. Schausteller sind Mittelständler, deren Mobilität an Ihre Tätigkeit angepasst ist, nämlich häufig den Festplatz zu wechseln. Es gibt auch noch die Komödianten, diese gleichen eher den mittelalterlichen Gauklern. Diese Gruppe verdient ihr Geld eher mit Kunststücken. Manche sind hochbegabte Artisten. Manchmal gibt es auch familiäre Verbindungen zur Schaustellerei. Aber man darf beide Gruppen nicht einfach so zusammenzählen. Camper wiederum, sind etwas ganz anderes und haben mit diesen Gruppen auch gar nichts gemein.

Gibt es unterschiedliche Campingtypen?
Sacha Szabo: Natürlich gibt es die grundsätzliche Frage: Zelt oder Wagen und hier noch die Glaubensfrage, Wohnwagen oder Wohnmobil. Und bei den Wohnmobilen eine vorgefertigte Ausstattung oder selbstausgebauter Bus. Es sind Abstufungen zwischen Annehmlichkeit und Freiheit. Natürlich kann ich mich mit einem Iglu Zelt anders bewegen als mit einem zweiachsigen Wohnwagen. Andererseits hat ein gut gepolstertes Bett auch seinen Reiz. Häufig beginnt solch eine Karriere mit dem Zelt, dann kommt, je nach Milieu, ein Bus oder ein Wohnmobil oder eben ein Wohnwagen. Mit zunehmendem Alter wird man dann etwas Bequemer, so dass am Schluss ein vollausgestatteter Wohnwagen eine Ferienwohnung auf Rädern ist. Entscheidend dabei bleibt aber das Lebensgefühl, nämlich das der Freiheit dorthin zu fahren wo ich will, wenn ich wollte.

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Was ist mit den Wildcampern?
Sacha Szabo: Damit mit meint man ja eigentlich Camper, die ohne Erlaubnis in der Natur campen. Aber man kann diesen Begriff auch anders betonen. Das ist ein Camper, der in der Wildnis campt. Hier geht es darum, Natur unmittelbar zu erleben. Das Vogelzwitschern, vielleicht ein Reh am Waldrand. Es ist noch mehr als das Campen auf dem Campingplatz, das eher mit seinem eigenen Mythos spielt. Eine Auszeit vom Alltag, der ja häufig durch städtische Lebensverhältnisse gekennzeichnet ist.

Noch eine Frage zum Schluss. Warum fahren so viele Holländer mit Wohnwagen?
Sacha Szabo: Ich glaube gar nicht, dass es prozentual so viele sind. Natürlich trifft man ihn so gut wie in jedem Land und ich habe das Gefühl auch an jedem Ort, den jovialen Niederländer. Aber, so habe ich gehört, in Holland fangen die Schulferien alle am gleichen Tag an und so machen sich dann alle holländischen Camper auf einmal auf die Reise. Dies führt natürlich dazu, dass das Gefühl entsteht, auf der Autobahn seien nur Holländer unterwegs. Es ist in erster Linie ein liebgewordenes Klischee des deutschen Humors. In Holland wird das wesentlich nüchterner gesehen. Und dass so viele Wohnwagen unterwegs sind hat im Übrigen ihren Grund darin, dass man dafür weniger Abgabe bezahlen muss, als für ein Wohnmobil. Da wären wir beim nächsten Stereotyp, dass nämlich Holländer sparsam sind.

Herr Szabo, Vielen Dank.
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