Ein Kultursoziologe über den Boom der Holi Festivals in Deutschland

Die Poesie der Farben

Sacha Szabo – Soziologe

Ein poetischer Festivaltrend überzieht die letzten zwei, drei Jahre Deutschland. Holi-Festivals. Bei diesen Festen treffen sich junge Menschen, feiern zusammen bei Elektronischer Musik und bewerfen sich mit buntem Pulver. Wir fragten den Freiburger Soziologen Sacha Szabo vom Institut für Theoriekultur nach der Bedeutung dieses Trends.

Was ist das besondere am Holi-Fest, was fällt ihnen daran auf, was ist das ungewöhnliche?

Sacha Szabo: Ganz unmittelbar ist die Poesie der Farben, die in die Luft geworfen werden, sich vermischen und vom Wind davon getragen werden. Auf der analytischen Ebene. Es ist eine sehr friedliche Vergemeinschaftung. Das ist für einen Gesellschaftswissenschaftler sehr spannend.

Woran liegt das?

Sacha Szabo: Das Holi-Fest, wie es gerade populär wird, ist eine Art Nachwehe des Techno. Dieser hatte ja immer auch eine Hippie-Attitüde eines friedlichen Zusammenlebens. Diese Stimmung von Love, Peace and Happiness wird nun von den Kindern der Hippieeltern neu entdeckt. Der Ursprung des Holi-Festes liegt in Indien. Es wird sogar behauptet, dass es eines der ältesten Feste überhaupt ist. Diesen religiösen Farbrausch, der wenn auch profanisiert, verweist immer noch auf eine andere Seite unserer Wirklichkeit.

Wie meinen Sie das?

Sacha Szabo: Die Drogenafinitität der Hippies ist ja bekannt. Ebenso die Nähe des Techno zu den Drogen. Beide Bewegungen waren an bestimmten Formen der Selbstversenkung interessiert. Daher zitierte Techno auch häufig Symbole der Hippiekultur. Durch die Monotonie der Beats konnten sich die Technojünger, ein Begriff im Übrigen der für andere Subkulturen nicht so geläufig ist, in eine Art Trance eingrooven. Diese Form der Selbstversenkung ist nun die aktuelle Verbindung von Techno, Hippietum und Indischer Kultur. Was nun vielen nicht so bewusst ist, dass Techno nicht nur aus Musik, Tanzen und Drogen bestand, sondern immer auch stark auf optische Reize Bezug nahm. Als der Techno aufkam waren auch Mindmachines In. Dies waren Apparate, die auf die Augen gesetzt wurden und mit Lichtreizen eine Art optische Droge waren. Die Buntheit ist ein wichtiges Element dieser Events.

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Höhere Bewusstseinszustände durch Farben?

Sacha Szabo: Ja, unbedingt. Aldous Huxley spricht in den Doors of Perception von der Farbigkeit der Kirchen, die gerade durch die Buntheit eine Vorstellung vom Paradies vermittelten. Diese Buntheit wurde nun in den sechziger Jahre durch den Gebrauch psychodelischer Drogen neu entdeckt und diese Farbbegeisterung wird nun bei den Holifestivals wieder aktuell. Es ist eine Art paradiesischer Farbenrausch.

Das alles ist dem normalen Festivalbesucher nicht bewusst.

Sacha Szabo: Nein und muss es auch nicht. Das was der Festivalbesucher erlebt ist ein glücklicher, friedlicher Moment des Miteinanders, das aufgehen in einer Gemeinschaft. Das eigene Ich wird für einen kurzen Moment vergessen und man ist mit den anderen eins. Diese Art der Grenzüberschreitung ist nun einer der Gründe für die Beliebtheit dieser Feste. Das vereinzelte Subjekt der Spätmodernen sehnt sich für einen Moment nach Gemeinschaft. Aus dem neoliberalen Ich wird für einen kurzen Moment ein Wir. Natürlich greifen hier massenpsychologische Mechanismen um dieses Wir zu erzeugen, das für aber entscheidend ist, dass dieses Wir kein gewalttätiges ist, sondern ein friedliches. Genau dies wird durch die Kräuter so wunderbar symbolisiert, die bei dem beim ursprünglichen indischen Fest gemahlene Heilkräuter waren. Man wünscht sich gegenseitig also: Alles Gute!

Herr Szabo, Vielen Dank für das Gespräch!

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