Maschinenbauunternehmen tun sich oft schwer, Alleinstellungsmerkmale zu definieren, und machen sich vergleichbarer, als sie es eigentlich sind. Die Konsequenz ist ein direktes Abrutschen in den Preiskampf mit dem Wettbewerb. Die Definition eines Leitbildes hilft bei der Positionierung am Markt.
Wenn man als Interimsmanager in ein Unternehmen kommt, wirft man stets erst einmal einen Blick auf die Vertriebsarbeit, denn dort nehmen alle Projekte ihren Anfang. Dabei stellt man dann regelmäßig fest, dass es nur in sehr wenigen Unternehmen im Kreis der Vertriebsmitarbeiter eine klare Vorstellung davon gibt, was das eigene Unternehmen oder wenigstens die dort hergestellten Produkte auszeichnet – außer dem viel zu hohen Preis natürlich. In den anderen Abteilungen sieht es oft nicht besser aus. Die Konstruktion glaubt, “gute” Konstruktionen mit solidem Aufbau zu konzipieren und die Produktion schwört auf die hohe Verarbeitungsqualität. Kaum einer aber ist in der Lage, eine klare Positionierung zu den anderen “Marktbegleitern” vorzunehmen.
Deshalb erntet man in der Regel Achselzucken, wenn man die Frage nach den Alleinstellungsmerkmalen in den Raum stellt. Eigentlich hätten die Wettbewerber XY und YZ auch vergleichbare Produkte für den Markt im Angebot.
Da zeigt sich, dass der deutsche Begriff “Alleinstellungsmerkmal” gerade in technisch getriebenen Unternehmen dazu verführt, sehr schnell auf Produktdetails zu fokussieren. Dort wird es dann – eben weil andere “Marktbegleiter” auch kompetent sind – sehr schnell kleinteilig, Produkte unterscheiden sich technisch oft nur marginal. Eine Abgrenzung vom Wettbewerb ist aber damit nur noch über den Preis möglich, und dies führt bekanntlich zu einer Spirale in den wirtschaftlichen Abgrund, aus der ein Entkommen nur schwer möglich ist. Diese Abgrenzung ist aber wichtig, denn Produkte tragen das Bild des Herstellers, die Marke, in die Märkte. Wenn es nicht gelingt, Produkten ein “Gesicht” zu geben und ein Markenimage zu erzeugen, ist das Unternehmen vergleichbar und gerät damit in Gefahr!
Der Nutzen für den Kunden muss im Fokus stehen
Ein Blick über die Sprachgrenzen hinaus hilft weiter. Im Englischen lautet das Pendant von Alleinstellungsmerkmal “Unique Selling Proposition” (USP), übersetzt “einzigartiges Verkaufsversprechen”. Das klingt doch schon viel weiter gefasst! Denkt man bei Merkmalen eher an dingliche Eigenschaften, so klingt der Begriff “Versprechen” deutlich emotionaler und öffnet den Blick auf das gesamte Verkaufspaket. Häufig wird der Begriff des USP sogar noch zu UVP, “Unique Value Proposition” erweitert, d.h. nun ist es ein einzigartiges Leistungsversprechen. Und genau darum geht es doch heute. Der über das Leistungsversprechen avisierte Nutzen ist die treibende Kraft für die Entscheidung. Kunden wollen den Nutzen aus dem Produkt, das Produkt an sich rückt immer mehr in den Hintergrund und ist Mittel zum Zweck. Wer eine Maschine kauft, will die Produktionsleistung der Maschine, ihre Flexibilität, ihre leichte Bedienbarkeit, hohe Produktivität, Robustheit, etc.. Aus diesem Grunde kann ein Alleinstellungsmerkmal im Regelfall auch kein Produkt sein – es sei denn man ist der weltweit einzige Anbieter – sondern das Alleinstellungsmerkmal muss über den Nutzen des Produktes für den Kunden definiert werden. Der Nutzen wiederum kann aber weit über die eigentlichen Produkteigenschaften hinausgehen, etwa weil das Unternehmen eine besondere Kundenbetreuung mit begleitenden Dienstleistungen anbietet, man den Schwerpunkt der Produktentwicklung auf einfache Bedienung gelegt hat oder einen 7/24 Stunden Bereitschaftsservice zur Verfügung stellt.
Eines wird deutlich: Wenn man anfängt, sich mit dem Nutzen zu beschäftigen, den die Kunden durch den Kauf des Produkts haben, dann hinterfragt man sehr schnell auch die Bedürfnisse der Kunden. Das Spiegelbild von Bedürfnissen sind Werte. Eigenschaften und Nutzen, die von Kunden benötigt werden, sind ihnen buchstäblich etwas wert. Je besser man es schafft, diese Kundenbedürfnisse als wichtige Werte in das eigene Unternehmen zu tragen, desto näher ist das Unternehmen dem Markt.
Kommunikation der Unternehmenswerte
Es gibt aber nicht nur den Markt auf der Produktseite. So lebt ein Unternehmen auch in einem Lieferantenmarkt, und von besonderer, in den kommenden Jahren zunehmender Bedeutung ist der Arbeitsmarkt. Wer auch in diesen Märkten erfolgreich sein will, muss sich mit den dort vorhandenen Bedürfnissen bzw. den dazugehörigen Werten ebenfalls auseinandersetzen. Unternehmen sind deshalb gut beraten, auch diese Märkte in einen Wertekatalog, kurz gesagt, ein Leitbild, aufzunehmen. Ein ausformuliertes, kommuniziertes und insbesondere durch die Führungskräfte vorgelebtes Leitbild mobilisiert ein ganzes Unternehmen, weil plötzlich für alle erkennbar das gemeinsame Ziel, der gemeinsame Rahmen festgelegt worden ist. Diese Werte will man als Unternehmen und im Unternehmen verkörpern, mit diesen identifiziert man sich, dafür steht man morgens auf und da steht man hinter. Auch der Vertrieb kann bei den Kunden nicht nur über das Produkt sprechen, sondern auch über die Werte, denen er und sein Unternehmen sich verpflichtet fühlen. Weil sie zu einem großen Teil die Bedürfnisse des Kunden wiederspiegeln, stärkt das dem Vertriebsmitarbeiter im Kundenkontakt den Rücken, den der Kunde fühlt sich wahrgenommen. Die Marke des Unternehmens gewinnt an Tiefe und wirkt gehaltvoller.
Der Aufwand für die Erarbeitung eines Leitbildes ist gerade bei mittelständischen Unternehmen überschaubar, in zwei bis drei geführten und vorbereiteten Workshops kommt man schon sehr weit. Wenn man dieses dann innerhalb und außerhalb des Unternehmens kommuniziert und zum Leben erweckt, hat man mit dieser an sich einfachen Maßnahme eine wichtige Etappe auf dem Weg zu einer erfolgreicheren Marktbearbeitung genommen.
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