Die Pflegebibel startet Interview-Reihe “Ich pflege”
Wie die Pflege-Realität aussiet, wissen nur sie: Echte Pflegekräfte. In der Interview-Reihe “Ich pflege” stellt www.die-pflegebibel.de jede Woche einen Helden des Pflegealltags vor. Dieses Mal: Anne Oberfeld (23).
Wie kamst du zur Pflege?
Anne Oberfeld: Das war eine Kurzschlussentscheidung. Nach meinem Fachabi wusste ich nicht, was ich machen sollte. Nach einer Weile fing ich ein Praktikum im Krankenhaus an. Das hat mir so gefallen, dass ich direkt mit der Ausbildung weitergemacht habe.
Und dann?
Nach der Ausbildung wechselte ich ins Pflegeheim. Ich wollte die Menschen, die ich pflege, kennenlernen und mich nicht nur für kurze Zeit um sie kümmern. Ein halbes Jahr blieb ich dort. Das war aber gar nicht mein Fall: wahnsinnig hohes Arbeitspensum, wenige Fachkräfte und – wie man so schön sagt – Massenabfertigung. Heute arbeite ich in einer speziellen WG als Intensivpflegerin.
Wie funktioniert so eine WG?
Wie jede andere. Wir haben acht Bewohner im Alter zwischen 26 und 50 Jahren. Viele von ihnen müssen dauerhaft beatmet werden. Tagsüber sind mindestens drei, nachts zwei Pflegekräfte anwesend. Es gibt kein Schnell-schnell. Wir pflegen und leben zusammen. Wie Studenten-WGs, unternehmen wir viel gemeinsam. Das ist ein ganz anderer Alltag als im Heim oder im Krankenhaus.
Was sagen Familie und Freunde zu deinem Beruf?
Meine Familie sagt nicht viel. Vielleicht, weil meine Mutter selbst in der Pflege tätig war. Klar, sie bekommen viel mit. Nur beim Essen möchten sie keine meiner Geschichten hören (lacht). Mit dem Freundeskreis ist das so eine Sache. Durch den Schichtdienst und Wochenenddienste ist es nicht einfach einen festen Kreis aufrechtzuerhalten. Das ist eine logistische Herausforderung. Aber wenn man wirklich will, geht das. Für meine Freunde ist mein Beruf wie jeder andere. Wir kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, was gut ist. So bekommt man hin und wieder auch Abstand zur Arbeit.
Gibt’s denn Erlebnisse, die dich richtig belasten?
Klar, wobei ich nicht das eine schlimme Erlebnis in Erinnerung habe. Meistens waren Kollegen, Lehrer oder andere Menschen da, mit denen ich reden konnte. Schwer war für mich, als das erste Mal jemand gestorben ist. Während der Ausbildung hatten wir aber eine gute Seminarwoche zu dem Thema. Wir haben uns intensiv mit dem Sterben anderer und dem eigenen Tod beschäftigt. Also: Wie stelle ich mir den Tod vor? Wie fühlt sich ein Sterbenskranker und wen würde ich bei mir haben wollen? Nach dieser Erfahrung wurde es leichter. Im Altersheim habe ich bemerkt, dass alle Sterbenden am Ende friedlich waren. Für mich ein Zeichen, dass der Tod nicht das Ende ist.
Willst du dauerhaft Pflegerin bleiben?
Die nächsten Jahre auf jeden Fall. Dann möchte ich Pflegepädagogik studieren. Ich hab also vor, der Branche treu zu bleiben.
Warum?
Die Pflege ist ein schöner Bereich. Sie füllt das Leben aus. Ich arbeite mit Menschen. Das ist für mich schöner, als Akten zu wälzen oder im Büro zu sitzen.
Trotzdem gibt es gravierende Missstände. Was müsste sich deiner Meinung nach ändern?
Die Grundeinstellung der Pflegenden. In der Branche arbeitet ein Menschenschlag, der sich aufopfert und versucht, aus wenigen Mitteln das Beste zu machen. Das ist an sich nicht schlecht. Aber so wird sich nichts ändern. Wir müssen uns zusammenraufen und sagen: Bis hier her und nicht weiter. Was glaubt ihr, was los wäre, wenn ein Krankenhaus geschlossen streikt?
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