Schulsport heute: Didaktische Perspektiven und alltäglicher Unterricht

Sportdidaktik

Wie können Bewegung, Spiel und Sport in der Schule sinnvoll vermittelt werden und wie kann die Entwicklung der Schüler mithilfe des Sportunterrichts gefördert werden? Diese Fragen wurden in den letzten Jahren neu ausgelotet, Kompetenzorientierung und soziales Lernen sind nur Stichworte. Ein aktueller Band zur Sport-Didaktik von Eckart Balz und Peter Neumann betrachtet die Perspektiven der Gestaltung des Schulsports und berücksichtigt dabei die Schwierigkeit, didaktische Ideale in der Praxis umzusetzen. Ein Gespräch mit den Herausgebern.

Für Ihre “Sport-Didaktik” haben Sie die Bezeichnung “pragmatisch” gewählt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Eckart Balz/Peter Neumann: “Pragmatisch” hat sicherlich verschiedene Bedeutungen: Uns geht es im Rahmen unserer Didaktik insbesondere um den Bezug zwischen fachdidaktischen Ansprüchen an die Gestaltung des Schulsports und den personellen und institutionellen Rahmenbedingungen an den Schulen. Insofern geht es einer pragmatischen Sportdidaktik um die Umsetzbarkeit und “Machbarkeit” ihrer Forderungen und Empfehlungen in der schulischen Praxis, ohne sich dabei allerdings den Bedingungen vor Ort gänzlich zu unterwerfen. Das heißt, dass wir uns durchaus einen kritischen Blick auf die alltägliche Schulsportpraxis erlauben und auch auf potenzielle Defizite der didaktischen Reflexion hinweisen.

Die Schule und die Schülerschaft verändern sich. Welche sind Ihrer Ansicht nach momentan die größten Herausforderungen des Schulsports?
Eckart Balz / Peter Neumann: Wenn wir unter Schulsport mehr verstehen als den Sportunterricht und dabei außerunterrichtliche Aktivitäten, wie das schulsportliche Wettkampfwesen, Schulsportfeste, Sport-AGs oder den Pausensport, einbeziehen, fällt es schwer, allgemeine Herausforderungen zu identifizieren. Ein allgemeiner Trend der Veränderung besteht aber sicherlich in der zunehmenden Heterogenität der Schüler/innen und der größeren Sensibilität, mit der vereinzelt auf diesen Trend beispielsweise im Rahmen von Angebotsdifferenzierungen reagiert wird. Darüber hinaus sind es auf schulischer Seite die Verlängerung von Schulzeit in Richtung Ganztagsschule sowie die strukturellen Lösungen zur Auflösung der Hauptschulen, die eine Herausforderung für die Gestaltung des Sports an den Schulen darstellen. Insbesondere die Entwicklung von Ganztagsschulsportkonzepten, die Kooperation mit Sportanbietern, Sportvereinen und den kommunalen Trägern, stellen dabei hohe Ansprüche an die Sportfachschaften.

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Ihre Didaktik verfolgt das Ziel, Orientierung bei der pädagogischen Gestaltung des Schulsports zu bieten. Gibt es hier Ansätze, die für Sie einen besonderen Stellenwert haben?
Eckart Balz / Peter Neumann: Es gibt viele verschiedene Ansätze und Konzepte für eine pädagogische Gestaltung des Schulsports. Auf fachdidaktischer Ebene liegen unsere Ansatzpunkte – noch vor schulstufen- und schulformspezifischen Konkretisierungen – grundsätzlich in der Trias von “Sinn”, “Mehrperspektivität” und “Handlungsfähigkeit”. Der Reihe nach steckt dahinter: Wenn Menschen im Leben wie im Sport nach “Sinn” suchen und solchen finden, können beim Sporttreiben unterschiedliche Sinnmuster eine Rolle spielen: Man will die Bewegung genießen, sich wohl fühlen und etwas für die Gesundheit tun, mit anderen zusammen aktiv sein, sich anstrengen und vergleichen, die Natur erleben, etwas wagen und Grenzen erleben etc. Ausgehend von dieser Vielfalt des Sinns soll auch die Vermittlung unserer Sport- und Bewegungskultur in der Schule eben nicht eindimensional, sondern “mehrperspektivisch” sein: also den Schüler/innen neue Perspektiven und lohnende Perspektivwechsel ermöglichen, ihnen unter jeder Perspektive das jeweils Besondere sportlicher Aktivität zugänglich machen, bestimmte Perspektiven in Unterrichtsvorhaben akzentuieren oder kontrastieren. Auf diese Weise kann der mehrperspektivische Sportunterricht einen Beitrag leisten, dass die Schüler/innen sich ihre Sport- und Bewegungskultur breit erschließen und in ihrer Entwicklung möglichst umfassend gefördert werden. Sie sollen aus Einsicht und Erfahrung lernen, welchen Sport sie in welcher Form sinnvoll betreiben können und damit Bausteine zur “Handlungsfähigkeit” erwerben.

Was kann Schulsport heute leisten, mit Blick auf die Gesamtheit der schulischen Bildung?
Eckart Balz / Peter Neumann: Der Schulsport und insbesondere der reguläre Sportunterricht ist zunächst – wie auch jedes andere Fach – in das Bedingungsgefüge der Bildungseinrichtung Schule eingebunden. Dies heißt nicht zuletzt, dass unter den Aufgaben von Unterricht und Erziehung primär das Lernen der Schüler/innen gefördert werden soll, damit sie zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben befähigt werden, damit sie sachkundig und verantwortungsvoll handeln können. Darüber hinaus ist Sportunterricht als einziges Bewegungsfach mit explizitem Körperbezug ein besonderes Fach, das sich bei den Schüler/innen großer Beliebtheit erfreut, das sportliche Praxis und Bewegungslernen mit passender Theorie und Reflexion verbinden kann, das unmittelbare Chancen für soziales Lernen und ästhetische Gestaltung öffnet, das fächerübergreifende Bezüge wie z.B. der Gesundheitsförderung nahelegt. Schließlich hält der Schulsport viele außerunterrichtliche Bewegungsangebote bereit, die den Schulalltag zu rhythmisieren helfen und das Schulleben zu bereichern vermögen, die ein Stück der bewegten guten Schule ausmachen.

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Zu den Herausgebern: Eckart Balz ist Professor für Sportpädagogik an der Bergischen Universität Wuppertal. Peter Neumann ist Professor für Sportpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

Sport-Didaktik
Von Peter Neumann und Eckart Balz
192 S.
Eur (D) 22,95 / Eur (A) 23,60/ sFr 35,30
ISBN 978-3-589-03940-1
Cornelsen Scriptor 2014
Bildquelle:kein externes Copyright

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